Wolfgang Baur: Die entfernten Bekannten 195 Statements

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Beschreibung

210 Seiten, gebunden, Taschenbuch
ISBN 978-3-88410-070-7 , 9.00 €


Textprobe


Wolfgang Baur: Die entfernten Bekannten


Ein Irrtum

Ja freilich. Wir sind doch damals fast gleichzeitig in Griechenland gewesen, auf dieser Insel, deren Name mir im Moment entfallen ist. Die Großtante seiner Frau mütterlicherseits war eine Cousine meines Rechtsanwalts. Er hat mich zu seiner Silberhochzeit eingeladen, wo ich dann leider nicht kommen konnte, weil unser jüngster Sohn an den Masern erkrankt war, aber später hat er mich immer wieder angerufen, vor allem, seit er halbseitig gelähmt war - ach so, er war nicht halbseitig gelähmt - also dann war er es nicht - aber ich hätte schwören können - also gut - dann eben nicht.


Der Zweifel

Ein einziges Mal in meinem Leben bin ich ihm begegnet, bei einer Einladung, er ist mir dadurch aufgefallen, daß er ziemlich teilnahmslos herumstand, in der rechten Hand hielt er sein Weinglas. Später erst hat man mir erzählt, daß er es war. Und noch viel später habe ich erfahren, daß es sich um eine Verwechslung gehandelt hat, wahrscheinlich jedenfalls. Es hieß, zu jener Zeit hätte ihn die Arbeit so in Anspruchgenommen, daß er monatelang nicht dazu gekommen ist, das Haus zu verlassen. Nachdem er sein Glas ausgetrunken hatte, schlenderte er zum kalten Büfett und holte sich ein mit Käse und Oliven belegtes Brötchen und aß es langsam, während er zu den anderen Gästen sah - falls er es wirklich war, was ja, wie eben erwähnt, bezweifelt wird. Er ging dann zu einem der Tische, wo die Tabletts mit den gefüllten Weingläsern standen, und nahm sich ein neues Glas. Er schien unglücklich zu sein, ganz offensichtlich fühlte er sich nicht wohl. Die vielen Menschen um ihn herum irritierten ihn anscheinend, ich fragte mich nur, warum er überhaupt gekommen war. Das ist alles, was ich von ihm weiß - falls er es überhaupt war. Woraus sich die Schlußfolgerung ergibt: war er es nicht, weiß ich nichts von ihm.


Das Paradox

Man hat mir viel von ihm erzählt. Seine Angst vor dem Wasser z.B. wargeradezu sprichwörtlich. Schon als Kind soll er sich mit Händen und Füßen gewehrt haben, wenn man ihm das Schwimmen beibringen wollte. Vater und Mutter versuchten es mit Güte und Strenge, es half alles nichts. Ein ausgezeichneter Schwimmer? Der noch mit achtundvierzig Jahren den Ärmelkanal in Rekordzeit überquerte? Das ist mir neu.